Faszinierend sehen die kleinen Viren-Monster schon aus, die schwere, teilweise noch immer unheilbare Krankheiten wie Sars und Aids verursachen. Winzige "Davids", die den Menschen "Goliath" listenreich an mikroskopisch kleinen Schwachstellen angreifen: tief drinnen in der Blutbahn, in den Nerven und in den Muskeln.
Ein brutal geführter Kampf ums Überleben. Töten oder getötet werden gilt für den Menschen wie auch für die Mikroben, die wahre Überlebens- und Verwandlungskünstler sind und sich schon seit drei Milliarden Jahren auf unserem Planeten entwickeln. Der Mensch hingegen kann gerade einmal fünf Millionen Jahre Erfahrung vorweisen.
Alle Mittel sind den ungleichen Gegnern in diesem Kampf recht. Auf beiden Seiten wird getarnt, getäuscht und getrickst: Manche Viren warten wie terroristische Schläfer im "Trockendock", zum Beispiel in einem Nerv, wo sie jahrelang unentdeckt und unangreifbar bleiben, um sich dann, wenn das Abwehrsystem gerade an anderen Fronten kämpft, von hinten anzuschleichen.
Andere Erreger entfachen einen wahren Bürgerkrieg, indem sie gutartige Zellen einer "Gehirnwäsche" unterziehen, sodass diese selbst den eigenen Körper angreifen.
Wieder andere kopieren den Schlüssel der Andock-Stationen ahnungsloser Zellen, um sie dann bei geöffneter Tür überfallen zu können. Die Medizin schickt dann zur Verteidigung mittels Impfung "Scheinzellen" aus, die den Krankheitserregern Attrappen solcher Andockstationen entgegensetzen und sie auf diese Weise abfangen.
Aber die Krankheitserreger haben auch aufgerüstet, seit der Mensch tiefer in die Trickkiste greift: HIV-Viren nisten sich heimtückisch genau in jenen Zellen ein, die eigentlich Alarm schlagen sollten und erzeugen so eine Immunschwäche, die anderen schweren Krankheiten wie etwa der Tuberkulose (TBC) Tür und Tor öffnen.
Eben erst veröffentlicht wurde die erschreckend angestiegene Zahl der Aids-Neuinfektionen: 4,8 Millionen Menschen haben sich allein 2003 mit HIV infiziert. Gleichzeitig warnt nun Deutschlands oberster Infektionsbiologe, Prof. Dr. Stefan Kaufmann vom Max-Planck-Institut in Berlin, vor neuen Seuchen: TBC hierzulande fast ausgerottet könnte sich mithilfe von Aids auch den Weg zurück nach Europa bahnen. Die Erreger mutieren auch zu neuen Varianten, die gegen bisher eingesetzte Medikamente immun sind.
Eine der größten Gefahren sei aber die Sorglosigkeit der Menschen, mit der den wirklich gefährlichen Krankheiten begegnet werde. Prof. Kaufmann im Interview: "Zum Beispiel sind am Sars-Virus, der weltweite große Angst und Panik ausgelöst hat, insgesamt rund 800 Menschen gestorben, weil schnell reagiert wurde. Aber allein in Österreich sterben jährlich bis zu 3000 Menschen an der Grippe. In Deutschland waren es letzten Winter 15.000!"
Auch, weil der Grippe-Virus ein Meister der Verwandlung ist. Diese Fähigkeit, in kurzer Zeit zu mutieren, ist das Überlebensprinzip der Viren. Aids sprang höchstwahrscheinlich zwischen 1930 und 1950 in Afrika durch eine solche Mutation von einer auf Affen beschränkten Krankheit auf den Menschen über. Der plötzlich hoch ansteckende Sars-Virus entstand aus einer zufälligen Mutation einer Krankheit, die nur für Vögel gefährlich war.
Die gute Nachricht: Die Forschung hat Mittel entwickelt, die die Vermehrung der Aids-Viren im Körper stark bremsen, und es ist gelungen, den Sars-Virus einzudämmen. Die schlechte Nachricht: Gegen Aids gibt es trotz aller Bemühungen bis heute kein Heilmittel, und es kann noch Jahre dauern, bis ein Mittel gegen Sars auf dem Markt ist.
"Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel", meint Prof. Kaufmann seufzend, "wobei der Igel leider der Virus ist: Wir können noch so schnell Impfstoffe entwickeln. Wenn wir Pech haben, gibt es bis dahin eine neue Variante, die schneller da ist und gegen unser Mittel resistent."
Nichtsdestotrotz appelliert der Forscher: "Impfen lassen, wo wir gute Impfstoffe zur Vorbeugung haben! Zum Beispiel gegen Diphtherie, Kinderlähmung oder Masern. Das ist heute, in Zeiten wo jährlich 1,5 Milliarden Flugpassagiere unterwegs sind, wichtiger denn je!"
|