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Herr Holle und der Schnee von morgen

Vor 40 Jahren wurde Europas Schneekanone erfunden. Ein Segen für niedrig gelegene Wintersport-Orte, aber auch Symbol für Klimawandel, Profitsucht und Abkoppelung des Menschen von der Natur.



Die erste Niederdruck-Schneekanone der Firma Linde mit spektakulärer Werbung
Picture by Linde

Es war in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als Dr. Ray Ringer in Kanada mit einer Flugzeug-Turbine herumexperimentierte. Ringer sollte herausfinden, wie gefährlich die Eisbildung am Rand eines Triebwerks ist, wenn Gefrorenes im Flug abbröckelt und in die Maschine gerät. Dazu schütteten er und seine Männer bei frostigen Temperaturen unter anderem Wasser in die laufende Turbine. Die Simulation klappte nicht wie gewünscht, dafür mussten die Forscher aber andauernd den Schnee wegschaufeln, der bei den Versuchen am anderen Ende herauskam. Dem Kanadier ging beim Anblick der Schneewächten in der Testhalle aber kein erfinderisches Licht auf. Er notierte den lästigen Nebeneffekt in seinen Protokollen und wandte sich anderen Dingen zu.

In den 60er Jahren tauchten in den USA schließlich die ersten Hochdruck-Schneemaschinen mit Propeller-Antrieb auf. Der deutsche Erfinder Fritz Jakob nahm die Idee mit nach Europa und holte sich auf seinem privaten Testhügel am Ammersee jahrelang im Winter nasse Hosen: Das einfache System spuckte durch die andere Luftfeuchtigkeit in Europa hauptsächlich Wasser aus.

1964 brachte schließlich die deutsche Firma Linde Jakobs die neue Erfindung, die Niederdruck-Schneemaschine, auf den Markt. Linde baut zwar seit Jahren keine Schneekanonen mehr, aber gab mit hundert kleinen Wasserdüsen das Prinzip vor, nach dem heute fast alle Schneekanonen in Europa beschneien. Dem Pensionisten Fritz Jakob, der noch mehr als 100 weitere Patente anmeldete, bleibt der Spitzname "Herr Holle" und das Wissen, eine Investitionslawine im Wintertourismus losgetreten zu haben.

Bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen stecken die Bergbahnen im Alpenraum heute in die Produktion der weißen Pracht. In Österreich sind 38 Prozent der Pisten mit Kunstschnee bedeckt, im Südtiroler Skiverbund Dolomiti Superski sogar 80 Prozent. Kunstschnee ist aus dem Wintertourismus bei den Wetterkapriolen der letzten Jahre nicht mehr wegzudenken. Und gab man sich in den 80er Jahren in niedrig gelegenen Skiregionen wie Saalbach in schneearmen Dezembern mit dem zufrieden, was Frau Holle lieferte, werden weiße Weihnachten heute ganz selbstverständlich künstlich produziert. Liftbetreiber begründen die viele Milliarden Euro schweren Investitionen hinter vorgehaltener Hand: "Es lohnt sich ganz einfach!" Oder auch: "Wir müssen wachsen, um bei dieser Konkurrenz zu überleben!"

Längst sind auch die Diskussionen abgeflaut, ob Kunstschnee und der irrwitzige Wasser- bzw. Energieverbrauch der Umwelt schaden. Befürworter argumentieren, Kunstschnee würde die Vegetation vor den scharfen Kanten der Skifahrer schützen und stellen künstliche Speicherseen als "idyllische Bereicherung mit kinderwagengerechtem Wanderweg" dar. (Copyright www.seilbahnen.at). Gegner meinen, der Kunstschnee würde die Vegetation auf den Bergwiesen völlig verändern, weil typische Alpenpflanzen, die sich nur dort durchsetzen, wo es trocken ist, durch Allerwelts-Gräser und -Blumen verdrängt werden.

Prof. Dr. Winfried Blum, Bodenforscher an der Boku in Wien: "Ganz wichtig ist, dass bei der Schneeherstellung nur reines Wasser verwendet wird. Es gibt chemische Zusätze und spezielle Bakterien, die es ermöglichen, Schnee auch bei Plusgraden zu erzeugen. So etwas ist höchst bedenklich. Ansonsten kompensiert der Mensch mit seinen Schneekanonen nur den Klimawandel. Solange er damit nicht den Winter künstlich verlängert und der Frost die natürliche Grenze zur Schneeherstellung setzt, habe ich keine Bedenken."

Genau damit soll nun aber mit einer neuen Erfindung aus Israel Schluss sein: Das revolutionäre Gerät der "Summer Snow Cooperation" – ursprünglich zur Gewinnung von Trinkwasser verwendet – kann mithilfe von Vakuum-Verdampfung auch bei 30 Grad Wärme Schnee in riesigen Mengen herstellen und ist dabei angeblich sparsamer, als herkömmliche Schneekanonen.

Prof. Blum: "Diese Erfindung öffnet dem MIssbrauch Tür und Tor. Damit ist die Versuchung riesengroß, den Winter früher zu beginnen und künstlihc in den Frühling hinein zu verlängern. Eine Versuchung, der so mancher Wintersportort in seinem "Überlebenskampf" nicht wird widerstehen können...


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© Eine Reportage von T. Micke (11-12-05) – Kontakt