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Eigentlich muss man diese Tierchen einmal mit eigenen Augen gesehen haben, um zu glauben, dass es sie wirklich gibt: Pistolenkrebse, Knallkrebse oder Knallgarnelen, wie sie auch genannt werden, sind, statt mit den üblichen Scheren, auf einem Arm von der Natur mit einer beeindruckenden Schusswaffe ausgestattet worden.
Mit Hilfe einer speziellen Muskelanordnung und einer Art Spritzpistolenlauf können sie einen Wasserstrahl auf kurze Entfernung auf bis zu 90 km/h beschleunigen. Beim Abfeuern schnalzt der angespannte "Scheren-Hahn" in weniger als einer Tausendstel Sekunde zusammen und die Wasserpartikel in der unmittelbaren Umgebung erhitzen sich durch die Beschleunigung auf mehr als 4000 Grad (!). Die dadurch entstandene ultraheiße Kavitations-Wasserdampfblase zerplatzt (implodiert) dann mit einem Lichtblitz und einem Knall, der mit 240 Dezibel sogar das Getöse eines Düsenjägers (ca. 150 Dezibel) in den Schatten stellt.
"Beugen Sie sich nicht zu weit über den Wassertank!", rät Dr. Barbara Schmitz, Professorin am Zoologischen Institut der Technischen Universität in München und Knallgarnelen-Expertin, ihren Besuchern: "Das kann sonst ins Auge gehen."
Nein, nicht dass die zierliche Pistolenkrebs-Dame, die dort zu Testzwecken in ihrem Mini-Aquarium so flink über den Kiesboden huscht, Menschen gefährlich werden könnte, aber: "Wenn sie ihre Waffe senkrecht nach oben abfeuert, dann kann das Wasser schon mal ins Gesicht spritzen", so Barbara Schmitz.
Harmlose kleine Gesellen also? Keineswegs! Auf der unglaublichen Video-Aufnahme eines kanadischen Forscher-Teams sieht man, wie sich ein Pistolenkrebs von hinten an einen annähernd gleichgroßen Korallenfisch heranpirscht, ihn blitzschnell mit der linken Schere packt und ihm solange mit der rechten Kopfschüsse verpasst, bis er sich nicht mehr rührt. – Großwildjagd im Korallendschungel!
Heftig geht es auch zu, wenn sich zwei dieser "Claw-and-Order-Krebse" auf freier Wildbahn begegnen: Erst wird geschossen, dann verhandelt.
Bei einem Pistolenduell unter Artgenossen halten die Kontrahenten allerdings einen strengen Sicherheitsabstand ein. Nicht Töten und Verletzen ist in diesem Fall der Sinn der Schießübung, sondern herauszufinden, wer die größere Kanone hat: Je größer der abgefeuerte Wasserstrahl, umso mächtiger das Schießeisen und umso stärker sein Besitzer.
Was also bei anderen Tieren (z.B. Löwen oder Hirsche) in Form von Rangkämpfen oft zu Verletzungen führt, machen sich diese schlauen Tierchen gewissermaßen mit bösen Blicken und Muskelspielereien aus.
Und nicht nur das, wie Barbara Schmitz' Kollege Jens Herberholz herausfand: "Mit Hilfe dieser Scheinduelle erkennt ein Krebs sogar, ob er ein Weibchen oder ein Männchen vor der Flinte hat." – Was oft ziemlich schnell zum Waffenstillstand und manchmal sogar zu einem gemeinsamem Haushalt führt...
Schüsse auf der Jagd, Feuergefechte mit den lieben Nachbarn, Imponier-Geballer vor der Geliebten: Das ergibt eine ziemliche Geräuschkulisse auf so einem dicht besiedelten Korallenriff. Ein Lärm, der dank der guten akustischen Eigenschaften von Wasser mehr als einen Kilometer weit zu hören ist.
In der Nähe einer solchen Knall-Garnelen-Kolonie klingt das für einen Taucher wie brutzelndes Fett. Oder als ob sich Neptun gerade einen Beutel Popcorn in die Mikrowelle geschoben hat.
So penetrant kann das knatternde Dauerfeuer der Mini-Revolverhelden sein, dass es sogar das Sonarsystem von U-Booten außer Gefecht setzt: Noch im Zweiten Weltkrieg vermutete die US-Navy vor der Küste Floridas eine hinterhältige Störwaffe der Russen, weil man sich das ohrenbetäubende Geräusch in den Kopfhörern der U-Boot-Jäger nicht erklären konnte. Dabei waren wohl nur zwei Garnelen-Gangs zum wöchentlichen Shoot-Out aufeinander losgegangen. High Noon an den Florida Keys! – Spiel mir das Lied vom Krebs...
Mit ihren Schreckschuss-Pistolen können sich die Riff-Rabauken größere Fische und andere Feinde zwar verhältnismäßig gut vom Leib halten. Was aber, wenn so ein Korallenfisch doch einmal zuschnappt und dabei den Waffenarm erwischt? Dann wirft die Natur kurzerhand das Wachstumsprogramm der anderen Hand noch einmal an: Aus dem linken Greifarm bildet sich ein neuer Schussapparat, die rechte wächst als normale Schere nach, und der Revolverheld wird vom Rechts- zum Linksschützen. Nur das Zielen, das muss er vermutlich erst noch einmal üben.
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