Ob roh, weich oder hart gekocht: Zumindest Mathematiker haben sich schon zu allen Zeiten die Zähne am Ei ausgebissen. Denn wenn die kleine Lebenszelle auch fast so simpel und harmonisch aussieht wie eine Kugel oder eine dreidimensionale Ellipse, ist sie doch ausgesprochen schwer in einer Formel zu beschreiben, weil Eier nur eine einzige Symmetrie-Achse haben.
Warum sich die Natur diese ungewöhnliche Form ausgedacht hat, um heranreifendes Leben von der Außenwelt abzuschirmen, ist bis heute nicht ganz geklärt. Forscher vermuten aber, dass sich die Konstruktion in der Evolution durchgesetzt hat, weil so das Ei nicht so leicht davonrollt und sich nur im Kreis dreht.
Fest steht aber, dass die nur einen Drittel Millimeter dünne Eischale für das wenige Material, das verwendet wird, ausgesprochen stabil ist. "Wetten, Sie schaffen es nicht, ein rohes Hühnerei mit Daumen und Mittelfinger zu zerdrücken, wenn sie es an den spitzen Enden anfassen?" Eine beliebte Wirtshaus-Wette, die immer wieder erstaunt: Wenn das Ei gesund ist und keinen Sprung hat, wird der Versuch trotz aller Kraftanstrengung nicht gelingen. Richtig feste Eier halten auf diese Weise sogar ein Gewicht von bis zu sieben Kilo aus. Da hat man mit zwei Fingern keine Chance. Der ausgeübte Druck wird durch die lang gezogene Form auf die ganze Hülle verteilt. Die beiden hauchdünnen "Ei-Gewölbe" halten der Belastung stand. Kirchenarchitekten, Brückenbauer und Iglu-Konstrukteure nützen denselben Trick seit Urzeiten.
Glatt und harmonisch wie ein Ei? Was Maler, Bildhauer und Juweliere immer schon faszinierte, sieht unter dem modernen Elektronenraster-Mikroskop alles andere als ebenmäßig aus: Die glatte Kalkoberfläche gleicht bei genauem Hinsehen einem kompliziert verästelten Urwaldgestrüpp. Und die Seitenansicht einer zerbrochenen Eierschale ähnelt bei etwas geringerer Auflösung der Abriss-Kante eines spektakulären Mars-Canyons.
"Eine ausgesprochen kluge Erfindung ist diese Kalkschale", erklärt der Wiener Ornithologe Prof. Dr. Gerhard Spitzer: "Während die Henne ihre Eier bei einer Nest-Temperatur von bis zu 42 Grad bebrütet, muss das heranreifende Kücken, das sich aus einer so genannten Keimscheibe an einem Ende des Eis entwickelt, Sauerstoff von außen bekommen und Kohlendioxid durch Poren in der Schale loswerden können." Eigelb und Eiweiß sind dabei nur Nährstoff-Depots, die das Kücken braucht.
Und was für ein Kraftpaket so ein Ei ist! In den durchschnittlich 60 Gramm, die ein Hühnerei ausmachen, haben Forscher bisher 35 der rund 100 chemischen Elemente nachgewiesen, und alle Vitamine außer C (vor allem aber Vitamin A, D, E, K und B12).
77 Kilokalorien Nährwert stecken in der kleinen Energiebombe, außerdem lebenswichtiger Phosphor, Eisen, Magnesium und extrem hochwertiges Eiweiß. Leider enthält das Mini-Wunderwerk aber auch so viel Cholesterin, dass schon zwei Eier mit je 250 Milligramm des Nahrungsfetts eigentlich die empfohlene Tagesdosis von 300 Milligramm weit überschreiten. Und da ist das sogenannte "versteckte Ei" (verarbeitet in diversen Produkten, die man täglich isst) noch nicht mitgerechnet. Warum gesunde Menschen trotzdem zu Ostern über die Stränge schlagen dürfen? Das Hühnerei enthält auch viel Lecithin, das im Darm die Aufnahme von Cholesterin ins Blut sehr stark bremst.
Dr. Ingrid Kiefer, Ernährungswissenschafterin am Institut für Sozialmedizin bleibt dennoch vorsichtig: "Alles in Maßen, aber zwei bis drei Eier am Ostersonntag sind für gesunde Menschen sicher kein Problem."
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