
 
 | Picture by Südtiroler Archäologiemuseum |
Vor 5300 Jahren wurde Ötzi von einem Bogenschützen hinterrücks ermordet. Vor mittlerweile 17 Jahren gab ein Tiroler Gletscher seine mumifizierte Leiche an der österreichisch-italienischen Grenze frei, und noch immer ist der Mann gut für Überraschungen.
Das bisher Bekannte kurz zusammengefasst: Ötzi war - für seine Zeit
hervorragend ausgerüstet - offenbar am Hauslabjoch auf der Flucht. Der
vermutlich ca. 46-Jährige wurde von hinten mit einem Pfeil tödlich getroffen
und verblutete. Der Täter entfernte zwar den Pfeilschaft (die Spitze
blieb unter dem Schulterblatt stecken)- vermutlich, um nicht identifiziert
werden zu können, ließ aber die wertvollen Waffen des Opfers liegen.
Woraus man schließen kann, dass der Mörder aus dem Bekanntenkreis des
Opfers stammte.
Ötzi selbst war aber offensichtlich
auch kein "Engerl": An seinen Waffen
und Ausrüstungsgegenständen
fand man Blutspuren von insgesamt
vier Personen. Forscher fast aller
"Konfessionen" (von Archäologie
über Kriminalmedizin bis Teilchenphysik)
beteiligten sich an der wissenschaftlich
äußerst lohnenden Untersuchung,
bei der man nicht nur herausfand,
was Ötzi als Henkersmahlzeit
(Hirsch, Gemüse und Getreidebrei) zu sich genommen hatte, sondern
auch, welche Schuhgröße er
hatte (38) und woher Kleidung und
Waffen stammten (unter anderem ein
für einen einfachen Mann recht ungewöhnliches
Kupferbeil aus der Salzburger
Gegend).
Von Anfang an bei den Untersuchungen
dabei war der italienische
Spezialist für prähistorische DNA,
Prof. Franco Rollo von der Universität
Camrino. Sein Team
untersuchte den Gen-Code der
gefundenen organischen Materialien.
So stellte man fest,
dass Ötzi bestimmte Pilze
(Birkenporlinge) mit desinfizierenden
und anderen medizinischen
Eigenschaften bei
sich trug, und man konnte sogar
die steinzeitliche Getreidesorte
(Einkorn, ein Vorläufer von
Dinkel und Weizen) bestimmen, die
ihm als Nahrung diente.
Zuletzt untersuchte das Expertenteam
nun direkt das Erbgut des Ur-
Tirolers. Nach so langer Zeit ein
schwieriges Puzzlespiel. Prof. Rollo
im Interview: "Das Ergebnis
war eine riesige Überraschung
für uns." Ötzi konnte zwar eindeutig
als "typischer" Alpenbewohner
identifiziert werden (DNA-Gruppe
"K1"). Allerdings war er innerhalb
dieser Volksgruppe Vertreter eines
von seiner Mutter vererbten bisher
unbekannten Spezial-Stammbaums
("K1ö") und dürfte demnach auch
noch einer der Letzten seiner Art
gewesen sein. Ötzis sogenannte "mitochondriale"
DNA weist nämlich
Eigenheiten auf, die bei heute lebenden
Menschen im Alpenraum noch
erhalten sein müssten, aber nicht
mehr zu finden sind. Wenn Ötzi, der
genetische Sonderling, also Kinder
hatte, dann ging diese genetische
Linie irgendwann vor 5000 Jahren als
Ganzes unter. Eine Sackgasse wie
jene, in die sich der Bergmensch kurz
vor seinem Tod hineinmanövriert
haben dürfte.
"Vielleicht", fügt Prof. Rollo allerdings
schmunzelnd hinzu, "gibt es
aber doch noch Ötzi-Nachfahren.
Irgendwo in einem einsamen Alpental,
das wir bisher noch nicht genetisch
erfasst haben..."
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